Fake-Gegner-Seite “Die Wahrheit über Sebastian Kurz”
SPÖ-Wahkampfmanager tritt nach Enthüllung über eine Fake-Gegner- und eine Fake-Fan-Facebookseite für den ÖVP-Kandidaten Kurz zurück
Das wohl berühmteste Stück Schwarze Propaganda sind die Protokolle der Weisen von Zion – vermeintliche jüdische Welteroberungspläne, als dessen Verfasser sich der Geheimdienst des Zaren entpuppte. Andere Beispiele für diese indirekte Beeinflussungsmethode sind die Fälschung der dänischen Untergrundzeitung Frihedsposten durch die deutsche Wehrmacht (die damit Nachrichten lancierte, dass sich die Dänen auf eine russische Besatzung vorbereiten sollten) oder die von der japanischen Verwaltung gefälschten vermeintlichen Flugblätter für amerikanische Soldaten auf den Philippinen (in denen es hieß, dass sich zu viele Soldaten bei philippinischen Huren mit Geschlechtskrankheiten anstecken würden, und die Gis deshalb Jungfrauen oder ehrenhafte Philippinas zur Befriedigung ihrer Triebe benutzen sollten). Während des Kalten Krieges betrieb die CIA zusammen mit einigen europäischen Geheimdiensten über das Programm Gladio sogar eine Art “Schwarze Propaganda der Tat”.
Zwei Wochen vor der Nationalratswahl 2017 wurde nun auch in Österreich Schwarze Propaganda aufgedeckt: Die stand auf zwei Facebook-Seiten, welche inzwischen nicht mehr zugänglich sind. Eine davon hieß Die Wahrheit über Sebastian Kurz, hatte 15.458 Likes und warf dem ÖVP-Kanzlerkandidaten unter anderem vor, ein “Islam-Versteher” und Teil eines politischen Netzwerks von George Soros zu sein. Die andere Seite hieß Wir für Sebastian Kurz, hatte 10.263 Likes und gab vor, von besonders großen Fans des ÖVP-Kanzlerkandidaten betrieben zu werden. Allerdings pflegte die Seite dabei einen Tonfall, der auf einen großen Teil der Wähler eher abschreckend gewirkt haben dürfte, weshalb die ÖVP schon vor Wochen die SPÖ dahinter vermutete: Deren Wahlkampfleiter Georg Niedermühlbichler wies das damals empört zurück und meinte, es sei “die Höhe”, dass die Volkspartei “die Chuzpe hat, uns für diese Sites verantwortlich zu machen”, denn dort werde “scharf gegen unseren Spitzenkandidaten Christian Kern geschossen.”
Ehemaliger Berater von Julia Timoschenko
Nachdem Die Presse und das Nachrichtenmagazin Profil sich daraufhin auf die Spur der Betreiber der Seiten machten und auf den (nach einer Verhaftung wegen des Verdachts auf Betrug und Geldwäsche im August entlassenen) Ex-SPÖ-Wahlkampfberater Tal Silberstein stießen, trat Niedermühlbichler gestern zurück. Silberstein, der früher unter anderem für die ukrainische Politikerin Julia-Timoschenko tätig war, räumte die Urheberschaft bislang zwar nicht ein (“Ich kommentiere den Wahlkampf nicht”), sagte der Zeitung Österreich aber, er vermute, dass ein ” Maulwurf, der offenbar von der anderen Seite rekrutiert wurde”, für das “Leck” verantwortlich ist.
“Task Force” soll Affäre SPÖ-intern aufarbeiten
Obwohl Niedermühlbichler die “Gesamtverantwortung” für die in österreichischen Medien “Dirty Campaigning” genannte Affäre übernahm, betonte er, Silberstein habe “hier ohne Auftrag und ohne Wissen des Bundesgeschäftsführers gehandelt.” Informiert gewesen sei nur einer seiner Mitarbeiter, der sich jetzt im Krankenstand befinde. Das Engagements Silbersteins sei ein “großer Fehler” gewesen, weil es “offenbar Aktivitäten” gab, die er sich “so, in dem Ausmaß nicht vorstellen” habe können. Fragen dazu, wer die Seiten bezahlte, und warum sie auch nach der Entlassung Silbersteins weiter mit Inhalt bestückt wurden, ließ er offen.
Dem zurückgetretenen SPÖ-Wahlkampfleiter nach schadeten die “abscheulichen und mit demokratischen und sozialdemokratischen Werten nicht vereinbaren” Inhalte der Facebook-Seiten dem SPÖ-Kandidaten Christian Kern bereits vor den aktuellen Enthüllungen mehr als Kurz. In den anderen österreichischen Parteien sieht man das teilweise anders und betont eine Verantwortung von Kern für die Affäre, die es auch dann gebe, wenn der Parteivorsitzende nichts davon gewusst habe. Dass er von nichts gewusst habe, betonte Kern heute in einer Pressekonferenz am frühen Nachmittag. Er kündigte an, die SPÖ werde den Vorfall nun intern mit einer “Task Force” untersuchen, ließ aber viele Fragen offen, die sehr wahrscheinlich heute Abend in der Elefantenrunde der Spitzenkandidaten beim Fernsehsender ATV zur Sprache kommen werden. (Peter Mühlbauer)
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